Das Leben im Internat schult ganz besonders das soziale Lernen. Die Schülerinnen und Schüler wohnen maximal zu zweit in einem Zimmer, für die Abiturienten gibt es auch Einzelzimmer. Jeder Schüler gehört einer Wohngruppe von acht bis zwölf Jugendlichen an, in der Regel aus einer Schulstufe. Das sind im Internat Solling in der Unterstufe die „Schützen“, in der Mittelstufe die „Scholaren“ und in der Oberstufe die „Magister“. Diese Wohngruppen heißen Kameradschaft oder kurz Kam. Jede dieser Gruppen wird von einem Lehrer – nicht von Erziehern! – betreut, der allein oder mit seiner Familie mit seiner Kam auf einem Flur wohnt. Jeder erlebt so in seinem unmittelbaren Lebensbereich ein dichtes Geflecht von menschlichen Beziehungen, wo der Grundsatz gilt: Ihr müsst euch auseinandersetzen – aber so, dass ihr euch wieder zusammensetzen könnt! Es geht also um den Weg zum vernünftigen Gebrauch von Rechten und zur Einhaltung von Pflichten im Spannungsfeld von Individuum und Gesellschaft.
Dieses soziale Lernen geschieht auch in der verpflichtenden Teilnahme an einem „Sozialen Dienst“ wie Heim-Feuerwehr, THW, Rotes Kreuz, Betreuung jüngerer Schüler, Leitung einer Sportgruppe, Pflege des Geländes, Mitwirkung im Schulparlament etc..
Der
besondere Geist des Internats Solling ist auch im Unterricht spürbar.
Verdruss über Neuerungen wie das achtstufige Gymnasium oder fünf
Abiturprüfungsfächer - Fehlanzeige. Mit immer neuen, stetig verfeinerten
Methoden und Ansätzen ist das Internat Solling schon in vielen Fällen wegweisend für
andere Schulen gewesen. Unsere Lernkultur baut auf Eigenständigkeit,
Selbstverantwortung und Interesse am Lernen, damit langfristig Leistung
einfacher erbracht werden kann.
Innovation bringt neue Ideen, neue
Ansätze und neue Begriffe mit sich. Wir möchten Ihnen gerne die
wichtigsten Instrumente der Lernkultur vorstellen.
Die Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 bis 7 arbeiten nach einem Wochenplan. Dieser sieht vor, dass sie in ihren zwei Stunden Freiarbeit pro Woche selbst gewählte Unterrichtsbausteine in ihrem eigenen Tempo bearbeiten. Ziel des Wochenplans ist es, den Kindern und Jugendlichen ein Gefühl für ihr Zeitmanagement zu geben. Die einzelnen Module unterscheiden sich nicht nur thematisch, sondern auch methodisch, um das selbsttätige Lernen zu fördern. Besonders wichtig bei unserem Wochenplan ist uns, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur Lernstoff pauken, sondern sich eigenständig und eigenverantwortlich selbst bilden, indem Zeit, Ruhe und Muße für ein eigenes Lerntempo gewährleistet werden.
LernbüroEigenständig
und eigenverantwortlich zu lernen ist eine Forderung, die die
Diskussion um Bildungsstandards in den letzten Monaten und Jahren
geprägt hat. Daher wurde für die Schülerinnen und Schüler der
Stufen 8 und 9 das so genannte Lernbüro eingerichtet. Dabei wird der traditionelle Klassenunterricht zugunsten der individuellen Arbeit umorganisiert. Die Schüler haben sechs Stunden pro Woche Lernbüro, in denen sie nach einem selbst erstellten Wochenplan
Module in den Fächern Englisch, Deutsch und Mathematik in Eigen-,
Partner- und Gruppenarbeit erarbeiten. Hierbei sollen die individuellen
Arbeitspläne so gestaltet werden, dass pro Tertial zwei bis drei Module
in jedem Fach bearbeitet werden. Die Module in den einzelnen Fächern
sind so konzipiert, dass sie möglichst viel dem eigenen Tun und Konstruieren
verpflichtet sind. Das Projekt "Lernbüro" wird professionell durch
unseren Schulpsychologen begleitet. In verschiedenen Tests wurde so
deutlich, welch positive Auswirkung die Arbeit im Lernbüro gerade auf
die Sozial- und Beziehungsaspekte bei den Schülern hatte.
Wir sehen das Lernbüro als konsequente Fortsetzung der Freiarbeit in den Klassen 5 bis 7, jedoch mit mehr Bezug auf die Inhalte einzelner Fächer.
Raum,
Zeit und Muße sind Kategorien, die im normalen Schulalltag fast
verlorengegangen sind. Um hier Abhilfe zu schaffen, haben wir eigens den
Dachboden der Musenscheune ausgebaut und dort ein modernes „Lernzentrum“ eingerichtet. Es ist als räumlicher und zeitlicher Oberbegriff für unterschiedliche Formen des eigenständigen Lernens
zu verstehen. Der Gebrauch elektronischer Medien ist untersagt, es
herrscht eine angenehme, auf Papier, Buch und Stift reduzierte, ruhige
Lernatmosphäre, in der jeder Schüler die Möglichkeit hat, seine individuellen Schwächen zu minimieren bzw. seine individuellen Stärken weiter auszubauen.
Das Lernzentrum ist nachmittags und abends geöffnet, auch am
Wochenende, so dass jeder Schüler individuell entscheiden kann, wann er
diesen Ort der Arbeitsruhe aufsuchen möchte. Die Anwesenheit sowie ein individueller Lernplan wird im Lerntagebuch
des Schülers dokumentiert, dort werden auch Hausaufgaben, Tests und
Klassenarbeiten eingetragen sowie die Noten des Jahres gesammelt.
Außerdem ist Platz für Rückmeldungen der Fachlehrer über Stärken
und Schwächen des Schülers im jeweiligen Fach, sodass für den Schüler
ersichtlich ist, wo er eventuell noch nacharbeiten sollte.
Das
Lernzentrum unterstützt das Internat Solling auf seinem Weg zu einer neuen Lernkultur,
indem der neue Lernort nicht nur Raum, sondern auch individuelle
Lernzeiten geschaffen hat, die der Schüler in Eigenverantwortung nutzen
kann. Durch diese Eigenständigkeit und Flexibilität übernimmt
jeder einzelne Schüler eine ganz neue Position in seinem eigenen
Lernprozess – das bewusste „Sich-in-einen-Lernraum-begeben“ und das
„Sich-Zeit-suchen-und-nehmen“ schafft ein neues Bewusstsein und eine
veränderte Rolle in dem komplizierten Prozess des Lernmanagements.
Die Arbeitsstunde findet montags bis freitags zwischen 17:15 Uhr und 18:45 Uhr statt. Zu dieser Zeit sind alle Schülerinnen und Schüler auf ihren Zimmern und erledigen ihre Hausaufgaben. Der Kam-Leiter bzw. die Kam-Leiterin ist als Ansprechpartner stets in der Nähe und gewährleistet die Hausaufgabenbetreuung. Während der Arbeitsstunde finden keine AGs statt, sodass alle Schüler gleichzeitig in Ruhe und ohne Ablenkung lernen können.
KompetenzfachDer Unterricht sollte nicht nur durch Wissensziele bestimmt werden, sondern sollte besonders auf die Transferfähigkeit des Gelernten achten. Das veranlasste das Internat, so genannte "Kompetenzfächer" einzurichten. In diesen Kursen sollen Fähigkeiten und Fertigkeiten gelernt und trainiert werden, die schon immer Bestandteil des traditionellen Fachunterrichts waren, jetzt jedoch stärkeres Gewicht und neue Relevanz für die Lernenden erhalten, da sie einzeln isoliert und in neuartiger methodischer Herangehensweise vermittelt werden. Diese Isolierung hat den Vorteil, dass Basiskompetenzen quasi im "Trainingslager" in immer wieder neuartigen Spiel- und Übungsreihen eingeübt, verbessert und gefestigt werden können. Lernen wird bewusst erlebt, der eigene Lernprozess, der Ablauf des Wissenserwerbs und die Bedeutung einzelner Fertigkeiten und Kompetenzen für das eigene Lernen reflektiert. Konkret werden folgende Kompetenzfächer angeboten:
Der
schulische Alltag hat gezeigt, dass der Erwerb von Wissen, Fakten
und Kenntnissen zwar unerlässlich ist, es aber häufig sinnvoller ist, in
gewissen Bereichen mehr in die Tiefe statt in die Breite zu gehen und
dabei die Relevanz für die Lebenswirklichkeit aufzudecken. Dies versucht das internat Solling mit den so genannten "Neigungsfächern".
Sie werden jahrgangsübergreifend in den Stufen 8 und 9 unterrichtet und
sind versetzungsrelevant. Die Schüler können - gemäß ihren Neigungen -
aus einem vielfältigen Angebot von Kursen zu Beginn eines Schuljahres
ihr Neigungsfach auswählen. Die Idee der Neigungsfächer ist es, sich
einem Themengebiet fächerübergreifend, aus verschiedenen Richtungen, auf unterschiedlichen Wegen und möglichst praxisnah
zuzuwenden. Die Schüler selbst erleben das Neigungsfach in seiner
Methodik oft als "Entspannung" vom normalen Fachunterricht, da sie viel
mehr Freiräume, selbsttätiges und selbstbestimmtes Handeln und
Platz zur Übernahme von eigener Verantwortung und eigenem Tun erleben.
Sie lernen Teamfähigkeit, Zeitmanagement und Produktorientierung, Attribute, die ihnen im späteren Leben sehr von Nutzen sein können.
In
den letzten Jahren gab es bereits ein vielfältiges Angebot an Themen:
"Rezitation", "Menschenrechte", "Außenplastik", "Kunst und Computer",
"Automobilwirtschaft", "UNESCO", "Filmanalyse" und viele mehr. Die Liste
wird ständig erweitert, da das Kollegium jedes Jahr vor neuen Ideen
sprüht.
In diesem Jahr werden in der Stufe 8 die Neigungsfächer
"Keramik" und "Trendsportarten" angeboten, in der Stufe 9
"Naturwissenschaft - Forschen und Entdecken" sowie "Jüdische
Geschichte". Jahr-gangsübergreifend gibt es das Neigungsfach "Theater".
Methodenkompetenz ist ein Stichwort, dass in vielen pädagogischen Publikationen und vor allem in der Schulentwicklung immer wieder genannt wird – Methoden zu schulen ist vor allem Aufgabe des Fachunterrichts, doch am Internat Solling wird schon seit Jahren in den sogenannten Kompetenzfächern auch separat Methodisches eingeübt: in Klasse 6 gibt es das Fach „Lernen lernen“, in Klasse 7 unseren beliebten Computer Kompetenz Kurs; in Klasse 8 wird ein zweitägiges Seminar zum „Zeitmanagement“ angeboten und in Stufe 9 widmet man sich „Texte und texten (Tut)“, um eine noch gezieltere Vorbereitung auf die wachsenden Anforderungen im Bereich der Textarbeit in der gymnasialen Oberstufe zu leisten.
Neben diesen Fächern ergänzen die Neigungsfächer in den Stufen 8 und 9 die herkömmliche Stundentafel, so konnten die Schüler im Schuljahr 2012/13 zwischen den Kursen „Rezitation“, „Backofenbau“, „LSH Kochbuch“ sowie „Sport statt Gewalt“ wählen – hier versucht das Internat Solling als Unesco-Projektschule das jeweilige Jahresthema der Unesco (in diesem Falle „Ernährung in der Welt“) aufzunehmen.
Auch die Seminarfächer in der Kursstufe besitzen zumeist einen Unesco relevanten Inhalt – denn die Beschäftigung mit den Themen „Menschenrechte“, „internationale Beziehungen“, „Weltkulturerbe Corvey“ und „Biotechnologie“ gehen weit über den normalen Lehrplan hinaus und lassen den Blick aus dem schulischen Alltag heraus in die Welt schweifen, denn wie schon im Leitbild des Internats Solling formuliert ist es ein wichtiges Anliegen, dass sich in Schüler als „Bürger der einen Welt“ begreifen.